Minusstunden in Österreich: Was Arbeitgeber unbedingt wissen sollten

Autor: Nina Zimmer
Kategorien: Arbeitszeit
Veröffentlicht:

Minusstunden gehören längst zum Alltag moderner Arbeitswelten – und sorgen dennoch in vielen Unternehmen für Verunsicherung.

Besonders in flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Gleitzeit oder bei ungleichmäßiger Auftragslage tauchen immer wieder zentrale Fragen auf:

  • Wann sind Minusstunden überhaupt zulässig? 
  • Dürfen Arbeitgeber Minusstunden anordnen?
  • Was passiert im Fall einer Kündigung?
  • Dürfen Arbeitgeber Minusstunden vom Gehalt oder Urlaub abziehen?

In diesem Beitrag erhalten Sie die Antworten auf alle wichtigen Fragen zum Thema Minusstunden.

1. Was sind Minusstunden in Österreich?

Minusstunden entstehen, wenn ein Arbeitnehmer weniger arbeitet, als im Dienstvertrag vereinbart.

Nehmen wir an, eine Angestellte mit einem 40-Stunden-Vertrag arbeitet in einer Woche nur 35 Stunden – die fehlenden fünf Stunden gelten dann als Minusstunden. Doch damit beginnt die rechtliche Einordnung erst.

Entscheidend ist nicht nur die Anzahl der fehlenden Stunden, sondern vor allem die Frage: Wer ist verantwortlich für das Minus am Stundenkonto? Genau hier liegt der Kern der arbeitsrechtlichen Bewertung – und dieser entscheidet auch darüber, ob die Minusstunden nachzuarbeiten oder gar vom Gehalt abzuziehen sind.

Wichtig: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung beachten!

Gemäß § 26 AZG (Arbeitszeitgesetz) sind Arbeitgeber in Österreich verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter:innen vollständig und korrekt zu erfassen – auch bei Gleitzeit oder Homeoffice.
Eine lückenlose Zeiterfassung ist daher nicht nur Grundlage für die Bewertung von Minusstunden, sondern schützt Arbeitgeber auch rechtlich – etwa bei Streitfällen rund um Gehalt, Kündigung oder Urlaubsansprüche. Lesen Sie hier alles Wichtige über die rechtlichen Grundlagen zur Arbeitszeiterfassungspflicht.

2. Wann sind Minusstunden zulässig?

Zulässig sind Minusstunden, wenn …

  1. … sie vom Arbeitnehmer selbst verursacht wurden:

Dazu zählen etwa:

  • eigenmächtiges früheres Verlassen des Arbeitsplatzes
  • verspätetes Erscheinen ohne triftigen Grund
  • Nutzung von Gleitzeit ohne vollständigen Zeitausgleich innerhalb der Gleitzeitperiode
  1. … eine vertragliche oder kollektivvertragliche Regelung besteht:
    Nur wenn im Arbeitsvertrag, Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung klar geregelt ist, wie mit Minusstunden umzugehen ist, können sie verbindlich sein.
  2. … der Arbeitnehmer ausdrücklich zustimmt:
    Bei einer freiwilligen Reduzierung der Arbeitszeit kann eine nachträgliche Nacharbeit – mit Zustimmung – vereinbart werden.

3. Darf der Arbeitgeber Minusstunden verlangen?

Viele Arbeitgeber schicken Mitarbeitende bei Auftragsmangel, technischen Problemen oder organisatorischen Engpässen nach Hause – mit der Vorstellung, dass diese Zeit später „nachgearbeitet“ werden muss.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Nach österreichischem Arbeitsrecht ist es nicht zulässig, das Zeitkonto des Mitarbeiters mit durch den Arbeitgeber verursachten Minusstunden einseitig – das heißt ohne freiwillige und ausdrückliche Zustimmung des Mitarbeiters – zu belasten.

Arbeitgeber Minusstunden verlangen

Beispiele für nicht zulässige Minusstunden:

  • Arbeitsmangel: Produktion wird gedrosselt und Mitarbeiter nach Hause geschickt, Kundenaufträge fehlen, …
  • Organisationsmängel: keine korrekte oder ausreichende Einteilung im Dienstplan, …
  • Technische Störungen: Systemausfälle, defekte Maschinen, …

Denn: Laut § 1155 ABGB besteht ein Anspruch auf Entgelt, wenn die Arbeitsbereitschaft vorhanden ist, aber keine Arbeit zugeteilt wird. In diesen Fällen liegt somit die Verantwortung für die Minusstunden beim Arbeitgeber und sie dürfen dem Arbeitnehmer nicht angelastet werden. Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dazu mehrfach klargestellt, dass Zeitschulden, die auf einer unzureichenden Arbeitszuteilung durch den Arbeitgeber beruhen, diesem selbst zuzurechnen sind. Ein Gehaltsabzug ist dann unzulässig – auch bei bestehender Gleitzeitvereinbarung.

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4. Darf der Arbeitgeber Minusstunden einseitig anordnen?

Arbeitgeber dürfen Minusstunden nicht ohne ausdrückliche Vereinbarung einseitig anordnen. Eine Verpflichtung zur Ableistung solcher Zeitschulden besteht prinzipiell nur, wenn dies klar und ausdrücklich im Arbeitsvertrag, im Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.

Praxistipp

Um bei schwankender Auftragslage Minusstunden zu vermeiden, bietet sich ein Arbeitszeitmodell mit einem klar definierten Durchrechnungszeitraum an. Viele Kollektivverträge – insbesondere in stark saisonabhängigen Branchen – sehen solche Modelle ausdrücklich vor. So können Sie flexibel reagieren, ohne dass Minusstunden zum finanziellen Nachteil für Ihr Unternehmen werden.

5. Was passiert mit Minusstunden im Fall einer Kündigung?

Minusstunden bei Kündigung

Ein besonders sensibler Bereich ist der Umgang mit Minusstunden bei einer Kündigung. Was mit Minusstunden im Falle einer Kündigung passiert, hängt davon ab ob, 

  • wie die Minusstunden entstanden sind und wer sie verursacht hat,
  • ob eine rechtliche Grundlage für deren Verrechnung besteht und
  • ob der Mitarbeiter die Möglichkeit hat, die Stunden nachzuarbeiten.

Grundsätzlich gilt: Nur Minusstunden, die durch den/die Arbeitnehmer:in selbst verursacht wurden und deren Nacharbeit im Arbeitsvertrag geregelt ist, dürfen bei einer Kündigung abgezogen oder eingefordert werden.

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5.1. Dürfen Minusstunden vom Gehalt abgezogen werden?

Pauschal dürfen Minusstunden nicht einfach so vom Gehalt abgezogen werden. Um korrekt zu handeln, muss immer zuerst geprüft werden, weshalb Minusstunden entstanden sind:

  • Ein Gehaltsabzug kann zulässig sein, wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden durch das eigene Verhalten verursacht.
  • Wenn hingegen die Ursache für die fehlenden Stunden klar auf Seiten des Arbeitgebers liegt, dürfen die Minusstunden nicht vom Gehalt abgezogen werden.

5.2. Können Minusstunden mit offenen Urlaubstagen gegenverrechnet werden?

Nein. Urlaub dient der Erholung und darf nicht zur Kompensation von Minusstunden verwendet werden. Auch nicht im Falle einer Kündigung.

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6. Minusstunden und Gleitzeit: was gilt rechtlich?

In einer echten Gleitzeitvereinbarung gemäß § 4b AZG haben Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit innerhalb eines vereinbarten Rahmens selbst zu bestimmen. Dabei kann es vorkommen, dass die vereinbarte Arbeitszeit an einzelnen Tagen oder Wochen unterschritten wird. 

Solche Minusstunden sind zulässig, da sie aus der eigenverantwortlichen Zeiteinteilung des Mitarbeiters resultieren. Das bedeutet: Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die Fehlzeiten innerhalb der Gleitzeitperiode auszugleichen. 

Erfolgt dieser Ausgleich nicht, kann ein Gehaltsabzug rechtlich zulässig sein – sofern eine entsprechende vertragliche Regelung besteht.

Aber Achtung

Auch bei Gleitzeit trägt der Arbeitgeber die Verantwortung für eine ausreichende Arbeitszuteilung! Dies wird am folgenden Beispiel deutlich.

6.1. Praxisfall: Minusstunden trotz Gleitzeit – wer trägt die Verantwortung?

Ein Postzusteller hatte eine Gleitzeitregelung und durfte seinen Arbeitstag beenden, sobald er sein Zustellgebiet erledigt hatte – häufig deutlich vor Ende der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit. So sammelten sich über die Zeit Minusstunden an, die dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Gehalt abgezogen wurden.

Das Urteil:
Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellte klar: Diese Minusstunden sind nicht zulässig, weil der Arbeitnehmer keine realistische Möglichkeit hatte, seine Arbeitszeit zu erfüllen. Die Verantwortung lag beim Arbeitgeber. Ein Gehaltsabzug war daher unzulässig.

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