Rufbereitschaft in Deutschland: Definition, Arbeitszeit & Vergütung
Mit der Rufbereitschaft sorgen Arbeitgeber dafür, dass Mitarbeiter im Notfall schnell einsatzbereit sind – egal ob nachts, an Wochenenden oder Feiertagen.
Doch was bedeutet Rufbereitschaft genau? Und wie unterscheidet sie sich von anderen Bereitschaftsformen?

In diesem Artikel erklären wir, welche Regelungen in Deutschland gelten und wie sich diese Bereitschaftsform auf Arbeitszeit und Vergütung auswirkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Definition: Was ist Rufbereitschaft?
Rufbereitschaft bedeutet, dass ein Mitarbeiter außerhalb seiner regulären Arbeitszeit erreichbar sein muss, um im Bedarfsfall kurzfristig seine Arbeitsleistung erbringen zu können. Dabei kann der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Rufbereitschaft selbst wählen. Er muss jedoch dafür sorgen, dass er von dort schnell einsatzbereit sein kann.
Wie schnell müssen Beschäftigte am Arbeitsort sein?
Grundsätzlich gibt es im Arbeitsrecht keine gesetzliche Regelung über den genauen bzw. maximalen Zeitraum, in dem Arbeitnehmer die Arbeit aus der Rufbereitschaft aufzunehmen haben.
In der betrieblichen Praxis werden häufig Fristen zwischen 30 und 60 Minuten vereinbart.
Die Zeitspannen sollten demnach realistisch und angemessen sein.
Sind sie zu kurz, könnte die Rufbereitschaft ansonsten als zu vergütende Arbeitszeit anerkannt werden.
Dies zeigte sich zum Beispiel in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Im konkreten Fall musste ein Feuerwehrmann auf Abruf innerhalb von 20 Minuten in Dienstkleidung und mit Einsatzfahrzeug am Einsatzort eintreffen.
Der EuGH entschied, dass diese kurze Frist seine Freizeitgestaltung zu stark einschränkte und die Rufbereitschaft daher als zu vergütende Arbeitszeit gewertet werden musste (vgl. EuGH v. 09.03.2021, Az. C-580/19).
1.1 In welchen Branchen ist Rufbereitschaft üblich?
Es gibt bestimmte Branchen, in denen Rufbereitschaft erforderlich ist, um den Betrieb aufrechtzuerhalten oder auf Notfälle schnell reagieren zu können.
Dazu gehören zum Beispiel:
- Technik
- Sicherheitsdienste
- Gesundheitswesen
- IT und EDV
- Bausektor
- Gastronomie und Hotellerie

1.2 Überblick: Rufbereitschaft kurz und knapp
- Ort: Der Mitarbeiter kann seinen Aufenthaltsort selbst wählen, muss aber jederzeit schnell einsatzbereit sein.
- Zeitpunkt: Die Rufbereitschaft gilt außerhalb der regulären Arbeitszeiten, z.B. nachts oder am Wochenende.
- Einsatz: Art und Umfang des Einsatzes hängen von der jeweiligen Tätigkeit ab – manche Arbeitnehmer müssen am Arbeitsort erscheinen, andere können Aufgaben auch remote erledigen.
- Nutzung der Zeit: Der Mitarbeiter kann die Zeit während der Rufbereitschaft selbst gestalten. Der Konsum von Alkohol und Drogen ist allerdings nicht erlaubt.
2. Ist Rufbereitschaft Arbeitszeit?
Grundsätzlich ist die Rufbereitschaft keine Arbeitszeit, sondern Ruhezeit.
Erst wenn der Arbeitnehmer aus der Bereitschaft zur Arbeit gerufen wird und eine Arbeitsleistung erbringt, zählt diese Zeit als Arbeitszeit. Die Ruhezeit wird dann durch die Arbeitsaufnahme unterbrochen.
Eine zuverlässige Arbeitszeiterfassung hilft dabei, diese Zeiten genau zu dokumentieren.
Übrigens: Entsprechendes gilt auch für die telefonische Rufbereitschaft. In diesem Fall zählt die Wartezeit auf einen Anruf nicht als Arbeitszeit.
Nimmt der Mitarbeiter jedoch einen Anruf entgegen und leistet z.B. eine telefonische Beratung oder Problemlösung, wird diese Zeit als Arbeitszeit gewertet.

Beispiel
Eine IT-Spezialistin hat Rufbereitschaft am Feiertag von 8 Uhr bis 16 Uhr. Um 13 Uhr erhält sie einen Anruf wegen eines Serverausfalls.
Sie setzt sich an ihren Laptop, um das Problem zu lösen.
Ab diesem Moment beginnt ihre Arbeitszeit.
Um 13:45 Uhr ist die Störung behoben und sie kann sich wieder in den Bereitschaftsmodus versetzen.
Zusammengefasst bedeutet das also:
Die 45 Minuten von 13 Uhr bis 13:45 Uhr gelten als Arbeitszeit, die restliche Zeit der Rufbereitschaft zählt als Ruhezeit.
3. Wie sieht die Vergütung bei Rufbereitschaft aus?
Wenn ein Mitarbeiter während der Rufbereitschaft eine Arbeitsleistung erbringt, steht ihm für die geleistete Arbeit eine Vergütung zu.
Häufig erhalten Beschäftigte dabei eine betrieblich geregelte Pauschale für die Rufbereitschaftzeit – unabhängig von ihrer tatsächlich geleisteten Arbeitszeit.
Kommt es dann zu einem Arbeitseinsatz, werden die geleisteten Arbeitsstunden zusätzlich mit dem regulären oder einem höheren Stundenlohn vergütet.
Die Höhe der Vergütung für die geleistete Arbeit im Rahmen der Rufbereitschaft wird meist durch den individuellen Arbeitsvertrag oder den entsprechenden Tarifvertrag festgelegt.
Digitale Zeiterfassung für die Rufbereitschaft
Nutzen Sie eine digitale Zeiterfassung wie timr, um geleistete Arbeitszeiten während der Rufbereitschaft genau zu erfassen und korrekt abzurechnen. So behalten Sie nicht nur den Überblick über tatsächlich geleistete Arbeitsstunden, sondern können diese auch mit den vereinbarten Sollstunden abgleichen.
4. Wie viele Stunden Rufbereitschaft sind erlaubt?
Im Arbeitsrecht gibt es keine Regelungen dazu, wie viele Rufbereitschaftsdienste ein Arbeitnehmer leisten darf. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber auf die Einhaltung der gesetzlichen ununterbrochenen Ruhezeiten achtet.
Es liegt daher in Ihrer Verantwortung als Arbeitgeber, ein faires System aufzustellen.
Häufig wird dabei das Rotationsprinzip eingesetzt. Hier wird sichergestellt, dass die Belastung zur Rufbereitschaft gleichmäßig auf alle Beschäftigten mit einer vertraglichen Anordnung verteilt wird.

Zusätzlich sollten Sie individuelle Besonderheiten Ihrer Mitarbeiter berücksichtigen, wie lange Anfahrtswege zum Arbeitsort oder Betreuungspflichten.

Achtung
Als Arbeitgeber müssen Sie darauf achten, dass die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Bestimmungen zu Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten sowie die Pausenregelung eingehalten werden. Beachten Sie auch entsprechende Tarifverträge, die zusätzliche Vorgaben enthalten können.
5. Können Mitarbeiter die Rufbereitschaft ablehnen?
Grundsätzlich ist Rufbereitschaft bei den betroffenen Berufsgruppen im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt.
Beschäftigte verpflichten sich somit, Rufbereitschaft zu leisten.
Wenn jedoch keine entsprechende vertragliche Regelung vorliegt, können Arbeitnehmer die Rufbereitschaft ablehnen.
6. Welche Regeln gelten für Rufbereitschaft und Ruhezeit?
Auch bei Rufbereitschaft gelten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zur Ruhezeit. Dies betrifft folgende Regelung (vgl. § 5 Abs. 1 ArbZG):
- Nach Ende eines Arbeitseinsatzes steht den Beschäftigten eine ununterbrochene Mindestruhezeit von 11 Stunden zu.
Wenn es also zu einem Arbeitseinsatz während der Rufbereitschaft kommt, wird dadurch die Ruhezeit unterbrochen und entsprechend verlängert.

Beispiel
- Ein IT-Techniker hat Rufbereitschaft von 20 Uhr bis 6 Uhr.
- Aufgrund eines Problems wird er in der Nacht zur Arbeit gerufen.
- Der Einsatz dauert von 2 Uhr bis 4 Uhr.
- Nach dem Einsatz beginnt seine gesetzliche Ruhezeit von 11 Stunden erneut.
- Das bedeutet: Ohne zulässige Ausnahmeregelungen, zB durch Tarifvertrag, dürfte er frühestens um 15 Uhr seinen Dienst wieder antreten.
Darüber hinaus findet sich im Arbeitszeitgesetz eine weitere Vorschrift, was Rufbereitschaft und Ruhezeit betrifft (vgl. § 5 Abs. 3 ArbZG):
- In Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen kann die vorgeschriebene Ruhezeit von 11 Stunden gekürzt werden, wenn dies durch Rufbereitschaft notwendig ist.
- Die verkürzte Ruhezeit muss dann zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.
Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit für Arbeitseinsätze während der Rufbereitschaft genutzt wird.
7. Was sind die Unterschiede zu anderen Bereitschaftsformen?
7.1. Bereitschaftsdienst
Der Bereitschaftsdienst unterscheidet sich in folgenden Punkten zur Rufbereitschaft:
Aufenthaltsort
- Der Arbeitgeber entscheidet über den Aufenthaltsort, an dem die Beschäftigten den Bereitschaftsdienst leisten.
- Dabei halten sich die Mitarbeiter meistens direkt am Arbeitsort oder in unmittelbarer Nähe davon auf, um auf Abruf jederzeit einsatzbereit zu sein.
Arbeitszeit
- Der Bereitschaftsdienst wird zusätzlich zur regulären Arbeitszeit geleistet und zählt somit als Arbeitszeit.
- Denn: Durch den festgelegten Aufenthaltsort können die Arbeitnehmer nicht frei darüber entscheiden, wie sie diese Zeit verbringen.
Vergütung
- Da der gesamte Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit gilt, muss dieser entsprechend vergütet werden.
- Die Höhe der Vergütung richtet sich dabei nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag, gültigen Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung.
Beispiele
- Eine Ärztin hat Bereitschaftsdienst und verbringt diesen in eigenen Aufenthaltsräumen im Krankenhaus, um im Notfall jederzeit Patienten betreuen zu können.
- Feuerwehrleute leisten ihren Bereitschaftsdienst auf der Feuerwache und können so jederzeit in Notfällen ausrücken.
7.2. Arbeitsbereitschaft
Eine weitere Bereitschaftsform ist die Arbeitsbereitschaft. Auch diese grenzt sich von der Rufbereitschaft in folgenden Punkten ab:
Aufenthaltsort
- Ähnlich wie beim Bereitschaftsdienst befinden sich die betroffenen Beschäftigten hier am Arbeitsplatz.
- Allerdings besteht der Unterschied darin, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeit sofort und ohne Aufforderung aufnehmen müssen, wenn es die Situation erfordert.
- Die Arbeitsbereitschaft wird deshalb als „Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung“ definiert (BAG v. 12.2.1986 – 7 AZR 358/48).
Arbeitszeit
- Die Arbeitsbereitschaft findet während der normalen Arbeitszeit statt.
Vergütung
- Da es sich hier um Arbeitszeit handelt, muss die Arbeitsbereitschaft auch als Arbeitszeit vergütet werden.
- Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag, gültigen Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung.
Beispiele
- Ein Mitarbeiter im Supermarkt arbeitet an der Kasse und wartet bis der nächste Kunde bedient werden muss.
- Eine Taxifahrerin befindet sich ebenfalls in Arbeitsbereitschaft, wenn sie im Fahrzeug auf die nächsten Fahrgäste wartet.
7.3. Übersicht über Bereitschaftsformen
Rufbereitschaft | Bereitschaftsdienst | Arbeitsbereitschaft | |
---|---|---|---|
Aufenthaltsort | Nicht zwingend am Arbeitsort, sondern frei wählbar | Direkt am Arbeitsort oder in unmittelbarer Nähe | Direkt am Arbeitsplatz |
Einsatz | Nur bei Bedarf einsatzbereit sein | Während des gesamten Bereitschaftsdienstes einsatzbereit sein | Sofort und ohne Aufforderung einsatzbereit sein |
Zeitliche Zuordnung | Außerhalb der regulären Arbeitszeit | Außerhalb der regulären Arbeitszeit | Während der regulären Arbeitszeit |
Arbeitszeit | Nur geleistete Arbeit zählt als Arbeitszeit, der Rest ist Ruhezeit | Gesamter Bereitschaftsdienst zählt als Arbeitszeit | Gesamte Arbeitsbereitschaft zählt als Arbeitszeit |
Vergütung | Vergütung durch Pauschale und Stundenlohn | Gesamter Bereitschaftsdienst wird als Arbeitszeit vergütet | Gesamte Arbeitsbereitschaft wird als Arbeitszeit vergütet |
Beispiel | IT-Techniker, der zu Hause ist und nur bei Bedarf eine Arbeitsleistung erbringt | Ärztin, die im Krankenhaus bleibt und jederzeit einsatzbereit ist | Mitarbeiter im Call-Center, der auf den nächsten Anruf wartet |
8. Exkurs: Rufbereitschaft nach TVöD
Häufig finden sich in Tarifverträgen konkrete Regelungen zur Rufbereitschaft für bestimmte Berufsgruppen. Ein Beispiel dafür ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).
So ist im TVöD festgelegt, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst nur dann zur Rufbereitschaft verpflichtet sind, wenn dies aus betrieblichen Gründen notwendig ist (vgl. § 6 Abs. 5 TVöD).
Zusätzlich dazu ist im TVöD auch geregelt, wie Rufbereitschaft zu vergüten ist (vgl. § 8 Abs. 3 TVöD). Dazu gelten folgende Vorgaben:
Ununterbrochene Rufbereitschaft von mehr als 12 Stunden
- Der Rufbereitschaftsdienst wird mit einer täglichen Pauschale der jeweiligen Entgeltgruppe bezahlt.
- Für die Tage Montag bis Freitag beträgt die Pauschale das 2-fache des tariflichen Stundenentgelts.
- Für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage beträgt die Pauschale das 4-fache des tariflichen Stundenentgelts.
- Maßgebend für die Berechnung der Pauschale ist der Tag, an dem die Rufbereitschaft beginnt.
Ununterbrochene Rufbereitschaft von weniger als 12 Stunden
- Die Rufbereitschaft wird stundenweise abgegolten.
- Für jede Stunde der Rufbereitschaft wird 12,5% des tariflichen Stundenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe gezahlt.