Umziehen als Arbeitszeit in Deutschland: Wann Arbeitgeber Umkleidezeit zahlen müssen

Kategorien: Arbeitszeit
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Ob im Sicherheitsdienst, in der Pflege, in der Produktion oder im öffentlichen Nahverkehr: In vielen Berufen ist das Tragen von Dienstkleidung vorgeschrieben.

Dabei stellt sich oft die Frage, ob das Umziehen vor und nach der Arbeit eigentlich zur Arbeitszeit zählt. Und falls ja: Muss diese Zeit auch bezahlt werden?

In diesem Artikel erfahren Sie, wann Umkleidezeiten als bezahlte Arbeitszeit gelten und was bei Wegezeiten oder Dusch- und Waschzeiten zu beachten ist.

1. Gehört in Deutschland Umziehen zur Arbeitszeit?

Das Umziehen zählt nicht immer automatisch zur Arbeitszeit.

So können Tarifverträge, Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen festlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen Umkleidezeiten zur Arbeitszeit gehören und bezahlt werden müssen.

Wenn keine entsprechende Regelung vorhanden ist, dann ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) maßgeblich. Diese stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:

Tipp

Sie möchten wissen, was noch alles zur Arbeitszeit zählt? Dann werfen Sie einen Blick in unseren Artikel zum Arbeitszeitgesetz.

1.1. Umziehen auf Anordnung des Arbeitgebers im Betrieb

Das BAG hat in seinem Urteil vom 19.09.2012 festgestellt (5 AZR 678/11), dass das Umkleiden zur Arbeitszeit zählt, wenn

  • der Arbeitgeber das Tragen bestimmter Arbeitskleidung vorschreibt und
  • das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss (z. B. aus hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen).

Beispiele dafür sind hygienische Anforderungen in Krankenhäusern oder das Tragen von Schutzkleidung in Produktionsbetrieben.

In diesem Fall gehören auch die durch das Umkleiden veranlassten innerbetrieblichen Wegezeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.

Umkleiden im Betrieb

1.2. Umziehen ohne Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb

Gibt es keine ausdrückliche Anordnung zum Umziehen im Betrieb, kommt es auf den Zweck der Umkleidezeit an.

So gilt diese nur dann als Arbeitszeit, wenn es sich beim Umziehen um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit handelt.

Das bedeutet: Das Umkleiden dient nur dem Interesse des Arbeitgebers und erfüllt keine eigenen Bedürfnisse des Arbeitnehmers.

Als Beispiel

Fremdnützig: 
Umkleiden ist Arbeitszeit
Nicht fremdnützig: 
Umkleiden ist keine Arbeitszeit
Ein Mitarbeiter eines Fast-Food-Restaurants trägt ein T-Shirt mit großem Firmenlogo. Es gibt keine ausdrückliche Anweisung, dass er die Arbeitskleidung im Betrieb anziehen muss. Das T-Shirt ist jedoch so auffällig, dass er es auf dem Weg zur Arbeit nicht tragen möchte. Da das Umkleiden nur dem Interesse des Arbeitgebers dient, zählt die Umkleidezeit als Arbeitszeit.Ein Büroangestellter fährt mit dem Rennrad zur Arbeit. Im Büro wechselt er von seiner Sportkleidung in normale Kleidung. Das Umziehen erfolgt nur aus privaten Gründen, da der Arbeitgeber keine Arbeitskleidung vorschreibt. Somit zählt es nicht zur Arbeitszeit.

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1.3. Auffällige Dienstkleidung

Ob die Umkleidezeit bei auffälliger Dienstkleidung als Arbeitszeit gilt, hängt davon ab, wo und unter welchen Bedingungen das Umziehen erfolgt:

Keine Umkleidemöglichkeiten im Betrieb:

Auffällige Dienstkleidung
  • Wenn der Arbeitgeber das Tragen einer auffälligen Dienstkleidung vorschreibt und es keine Umkleidemöglichkeiten im Betrieb gibt, muss der Beschäftigte die Arbeitskleidung zu Hause anlegen.
  • Die Umziehzeit gilt somit als Arbeitszeit.
  • Denn: Arbeitnehmer haben kein eigenes Interesse daran, ihre berufliche Tätigkeit außerhalb der Arbeitszeit gegenüber Dritten offenzulegen (BAG-Urteil vom 25.04.2018, 5 AZR 245/17).
  • Auch die Wegezeit zwischen Zuhause und Betrieb gilt in diesem Fall als Arbeitszeit, da der Arbeitnehmer bereits im dienstlichen Interesse des Arbeitgebers unterwegs ist.

Freiwilliges Umziehen zu Hause:

  • Der Arbeitgeber gestattet, dass Arbeitnehmer die auffällige Dienstkleidung auch außerhalb der Arbeitszeit tragen dürfen.
  • Entscheidet sich der Arbeitnehmer dazu, die auffällige Dienstkleidung freiwillig zu Hause anzuziehen und diese auf dem Weg zur Arbeit zu tragen, zählt diese Zeit nicht als Arbeitszeit.
  • Denn in diesem Fall liegt kein ausschließlich fremdnütziges Interesse vor, da das Umkleiden zugleich einem Bedürfnis des Beschäftigten dient.

Beispiel

Ein Arbeitgeber stattet seine Mitarbeiter mit teuren Softshell-Jacken mit Firmenlogo aus und gestattet den Mitarbeitern, diese auch privat zu tragen. Ein Mitarbeiter findet diese sehr praktisch für seine Bergtouren und zieht sie sehr gerne in seiner Freizeit an.

Wann gilt Arbeitskleidung als auffällig?

Grundsätzlich hängt es vom Einzelfall ab, wann Dienstkleidung auffällig ist. In den meisten Fällen handelt es sich allerdings dann um auffällige Arbeitskleidung, wenn sie im öffentlichen Raum

  • klar und aufdringlich auf das Unternehmen oder die Branche schließen lässt (z. B. Logo, Schriftzug, typische Farben),
  • oder typische Dienstkleidung darstellt, die sofort einem Beruf zugeordnet werden kann (z. B. weiße Klinikbekleidung).

Beispiele dafür sind:

  • Polizeiuniform
  • Warnschutzkleidung mit auffälligen Farben wie im Straßenbau
  • Dienstkleidung mit auffälligem Logo, z. B. von McDonald’s Angestellten
  • Berufskleidung von Rettungssanitätern
  • Weiße Dienstkleidung vom Pflegepersonal im Krankenhaus

1.4. Unauffällige Dienstkleidung

Unauffällige Dienstkleidung ist Arbeitskleidung, die im öffentlichen Raum getragen werden kann, ohne sofort auf den Arbeitgeber oder die Branche zu schließen – z. B. eine schwarze Hose und ein weißes T-Shirt ohne Logo bei Kellnern.

Zieht der Arbeitnehmer die unauffällige Dienstkleidung freiwillig zu Hause an, obwohl Umkleidemöglichkeiten im Betrieb bestehen, gilt die Umkleidezeit nicht als Arbeitszeit.

Auch das Umziehen im Betrieb bei unauffälliger Arbeitskleidung zählt nicht als Arbeitszeit, sofern der Arbeitgeber nicht ausdrücklich anordnet, dass die Kleidung dort angezogen werden muss.

1.5. Übersicht: Wann zählt Umziehen zur Arbeitszeit?

SituationGehört das Umziehen zur Arbeitszeit?Beispiele
Arbeitskleidung muss auf Anordnung des Arbeitgebers im Betrieb angezogen werdenJaPflegekräfte im Krankenhaus, Produktionsmitarbeiter mit Schutzkleidung
Keine Anordnung des Arbeitgebers, aber ausschließlich fremdnützigJaFast-Food-Mitarbeiter mit auffälliger Dienstkleidung, die er nicht auf dem Weg zur Arbeit tragen möchte
Keine Anordnung des Arbeitgebers und nicht fremdnützigNeinBüroangestellter wechselt Sportbekleidung gegen normale Kleidung
Auffällige Dienstkleidung wird im Betrieb umgezogenJaPolizei, Feuerwehr, Rettungsdienst
Auffällige Dienstkleidung muss zu Hause angezogen werden, weil es keine Umkleidemöglichkeiten im Betrieb gibtJaSicherheitsdienst mit auffälliger Uniform
Auffällige Dienstkleidung wird freiwillig zu Hause angezogenNeinPortier zieht auffällige Uniform schon zu Hause an, weil er es praktischer findet
Unauffällige Dienstkleidung wird freiwillig zu Hause angezogenNeinKellner trägt schwarze Hose und weißes Shirt ohne Logo schon auf dem Arbeitsweg
Unauffällige Dienstkleidung wird im Betrieb angezogen (ohne Anordnung des Arbeitgebers)NeinVerkäufer zieht dunkle Hose und schwarzes T-Shirt im Betrieb an

2. Wann müssen Arbeitgeber die Umkleidezeiten vergüten?

Müssen Beschäftigte auf Anordnung des Arbeitgebers eine Dienstkleidung tragen, ist diese Zeit zu vergüten. Dies gilt in der Regel, wenn das Umkleiden im Betrieb erfolgt.

Zur vergütungspflichtigen Zeit gehören in diesem Fall:

  • Das An- und Ausziehen der Dienstkleidung im Betrieb
  • Die Wegezeiten zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz
  • Die Zeit für das Abholen der Arbeitskleidung

Bei auffälliger Dienstkleidung gilt eine Besonderheit: Gibt es keine Umkleidemöglichkeiten im Betrieb und muss die auffällige Arbeitskleidung deshalb zu Hause angezogen werden, kann auch diese Zeit vergütungspflichtig sein.

Denn der Arbeitnehmer hat außerhalb der Arbeitszeit kein eigenes Interesse, seine berufliche Tätigkeit gegenüber Dritten offenzulegen.

Zieht ein Arbeitnehmer die Dienstkleidung bereits zu Hause an, muss der Arbeitgeber die Umkleidezeit hingegen nicht bezahlen.

Der Grund: Es liegt ein eigenes Interesse des Arbeitnehmers vor – z. B. weil es bequemer für ihn ist, die Arbeitskleidung bereits zu Hause anzuziehen.

Achtung

In Arbeits- oder Tarifverträgen kann die Vergütung von Umkleidezeiten abweichend geregelt oder sogar ausgeschlossen sein.

3. Zählt Duschen oder Waschen zur Arbeitszeit?

Duschen oder Waschen am Arbeitsplatz kann zur Arbeitszeit gehören, wenn es ausschließlich fremdnützig ist.

Das ist der Fall, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner Arbeit so stark verschmutzt, dass

  • ein Anlegen der Privatkleidung,
  • das Verlassen des Betriebs,
  • und der Weg nach Hause
Zählt Duschen oder Waschen zur Arbeitszeit

ohne eine vorherige Körperreinigung nicht zugemutet werden kann.

Dies hat das BAG im Fall eines Containermechanikers entschieden (BAG-Urteil vom 23.04.2024, 5 AZR 212/23).

4. Wann zählen Wegezeiten zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz zur Arbeitszeit?

Wenn Arbeitnehmer ihre Dienstkleidung im Betrieb an- und ausziehen müssen, gehören auch die Wegezeiten zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz zur Arbeitszeit.

Der Arbeitgeber muss jedoch nur die Wege zahlen, die wegen des vorgeschriebenen Umkleidens entstehen.

Als Beispiel

  • Ein Schweißer arbeitet in einer Werkhalle.
  • Die Umkleideräume befinden sich in einem separaten Gebäudeteil neben der Halle.
  • Der Weg vom Werkstor direkt zur Werkhalle ist normaler Arbeitsweg.
  • Der zusätzliche Weg vom Werkstor in den Umkleideraum und anschließend von dort zur Werkhalle ist als Wegezeit zu bezahlen, da der Weg nur wegen des Ankleidens notwendig ist.

5. Ist in Deutschland Rüstzeit Arbeitszeit?

In der Regel zählt die Rüstzeit zur Arbeitszeit, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Ein Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung legen ausdrücklich fest, dass Rüstzeiten zur Arbeitszeit gehören.
  • Die Tätigkeit ist betriebsnotwendig und kann nur am Arbeitsplatz durchgeführt werden.
  • Die Tätigkeit wird vom Arbeitgeber angeordnet.
  • Die Tätigkeit ist fremdnützig und erfolgt nur im Interesse des Arbeitgebers.

Was ist Rüstzeit?

Rüstzeit bezeichnet die Zeit, die Beschäftigte benötigen, um einen Arbeitsplatz oder eine Maschine in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen.

Darüber hinaus umfasst dies auch die Zeit, die nötig ist, um den Arbeitsplatz oder die Maschine wieder in den Ausgangszustand zurückzuführen.

Dazu gehören zum Beispiel:

  • Einrichten und Umrüsten von Maschinen
  • Hochfahren von Computern
  • Aufräumen nach Ladenschluss im Einzelhandel