Work-Life Balance – ein Konzept für das Sie nicht unbedingt einen Balanceakt hinlegen müssen

Kunigunde Leitner
11. April 2017

Die so genannte Work-Life Balance wird in der modernen Arbeitswelt groß geschrieben, in Diskussionen rund um das Thema Arbeitszeit ist es ein gerne verwendetes Schlagwort. Dabei gewinnt man den Eindruck, dass der Begriff oftmals unreflektiert in den Raum geworfen wird. Fest steht, dass Arbeit ein Teil des Lebens ist und beide sich daher nicht einfach voneinander trennen lassen. Beruf- und Privatleben können sich auch nicht immer vollkommen die Waage halten. Work-Life Balance ist daher ein Konzept, dass viele Formen annehmen kann.

 

Arbeit und Leben lassen sich nicht einfach voneinander trennen

Die wortwörtliche Übersetzung des englischen Begriff in die deutsche Sprache suggeriert Ausgeglichenheit zwischen Arbeit und Leben. Es lässt ein Bild vor dem geistigen Auge entstehen, wo sich Arbeit und Leben die Waage halten – 50/50 sozusagen. Das impliziert auch, dass Arbeit und Leben zwei verschiedene Bereiche sind, aber entspricht das der Realität?

Im Grunde genommen ist Arbeit doch Teil des Lebens, ob wir nun von Erwerbstätigkeit sprechen oder von den unterschiedlichsten Tätigkeiten, die wir im Alltag zu erledigen haben. Eine absolute Trennung dieser beiden Bereiche kann es so also nicht geben. Das ist nur ein Aspekt, der eine genaue Definition schwierig macht. Am ehesten entspricht Work-Life-Balance der realen Situation vieler Arbeitnehmer, wenn dabei von einem Ausgleich zwischen Beruf- und Privatleben ausgegangen wird. Im allgemeinen Verständnis ist das auch die Bedeutung, die diesem Begriff zugeschrieben wird.
Work Life Balance

Ein Aspekt, der für das Verständnis von Work-Life Balance ebenfalls ausschlaggebend ist, betrifft den Faktor “Freude” und “glücklich sein”. Mit Work-Life Balance wird assoziiert, dass ein Ausgleich zur Erwerbstätigkeit besteht. Oft wird das Berufsleben dabei als schlecht, anstrengend etc. verstanden, das Privatleben hingegen als Entspannung und sprichwörtliche Quelle des Glücks. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass dies in vielen Fällen tatsächlich so zutrifft. Andererseits ist es durchaus möglich, dass jemand sein Hobby zum Beruf gemacht hat und während seiner Arbeit ebenso viel Energie tanken kann, wie sein Kollege bei einem Wochenendausflug mit der Familie.

 

Mit stetiger Balance hat Work-Life Balance nur bedingt zu tun

In der Realität gibt es keine perfekte anhaltende Balance zwischen Arbeit und Familie, Freizeit etc. Dafür gibt es viele Gründe. Betrachten wir zum Beispiel den stetigen Wandel der Arbeitswelt, die den klassischen 9 to 5 Job immer weiter an Bedeutung verlieren lässt, ist ein andauerndes ausgeglichenes Verhältnis unwahrscheinlich. Es gibt heute eine Vielzahl an Arbeitszeitmodellen, die flexibleres Arbeiten ermöglichen. Von den Arbeitnehmern wird das auch gerne genutzt. Bei freier Zeiteinteilung kommt es dann durchaus vor, dass zu bestimmten Zeiten mehr gearbeitet wird, was weniger freie Zeit für anderes bedeutet. Im Gegenzug gibt es dann Phasen, wo Arbeitszeit reduziert wird, um beispielsweise mehr Zeit für die Familie zu haben. Das ist – zumindest aus Arbeitnehmersicht – schließlich der Sinn flexiblerer Arbeitszeiten. Hinzu kommt, dass durch neue Technologien und neue Arbeitszeitmodelle wie mobiles Arbeiten oder Home Office die Grenzen zwischen Beruf- und Privatleben immer mehr verschwimmen.

Auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Nehmen wir beispielsweise die Lebensplanung eines durchschnittlichen Arbeitnehmers: Schule, Ausbildung, Beruf, Familie – in vielen Fällen ist all das Teil der Biographie, aber eben nicht zur selben Zeit. Während der Ausbildung und zur Zeit des Berufseinstiegs liegt der Fokus zumeist auf der Karriere. Das Arbeitsleben steht dabei im Vordergrund und wer etwas erreichen möchte, investiert zumeist viel Zeit, die dann logischerweise für Freizeitaktivitäten oder für Familie und Freunde nicht zur Verfügung steht. Zu einem späteren Zeitpunkt steht dann oft die Familienplanung im Vordergrund. Wer dann mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchte, reduziert Arbeitszeit. Das Verhältnis von Beruf- und Privatleben ist in beiden Fällen unausgeglichen.

All das zeigt: eine perfekte Work-Life Balance hat also nichts mit einer ständig anhaltenden Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu tun, sondern vielmehr mit einer an die Bedürfnisse des Arbeitnehmers angepassten Aufteilung verschiedener Lebensbereiche an einzelne Lebensphasen. In den gegenwärtig stattfindenden Diskussionen um Arbeitszeitflexibilisierung sind so genannte Lebensabschnittsmodelle für die Arbeitszeit daher ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt.

 

Work-Life Balance – ein Konzept, viele Formen

Nach einer Beschäftigung mit dem Begriff – oder besser gesagt mit dem Thema – Work-Life Balance lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:

  1. Arbeit und Leben lassen sich nicht trennen und gegeneinander aufwiegen, da Arbeit ein Teil des Lebens ist.
  2. Work-Life Balance muss nicht zwangsläufig damit zu tun haben, dass sich Beruf- und Privatleben die Waage halten. Dennoch ist grundsätzlich ein Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit in Form von Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten extrem wichtig. Das trifft insbesondere dann zu, wenn die berufliche Tätigkeit mit Anstrengung oder wenig Möglichkeit zur Selbstverwirklichung verbunden ist, was für viele Arbeitnehmer immer noch Realität ist.
  3. Nicht für alle äußert sich Work-Life Balance in ein- und derselben Lebensgestaltung. Das stereotype 50/50-Modell von Beruf- und Privatleben ist daher nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr der Aspekt körperlicher und seelischer Gesundheit. Das eigentliche Ziel einer Work-Life Balance sollte ein zufriedenes – oder noch besser ein glückliches – Leben sein. Für die einen bedeutet das viel Zeit für Familie und Freizeit, andere dagegen gehen vielleicht vollkommen in ihrer Arbeit auf und nehmen sich bewusst weniger Zeit für andere Aktivitäten.