Teamrollen nach Belbin

Haron Segura
27. Mai 2022

Jedes Team besteht aus verschiedenen Personen – Personen mit eigenen Kenntnissen, Charakterzügen und Arbeitsweisen. Wie bringt man all diese Persönlichkeiten unter einen Hut? Diese Frage stellen sich viele Projektleiter und -manager. Denn alle Mitarbeiter*innen haben ihre Stärken und Schwächen, die während eines Projekts zum Scheinen kommen können – oder das Projekt aufhalten.

Für die Projektorganisation ist es daher elementar wichtig, die Rollen richtig zu verteilen. Denn die Arbeit mit dem höchsten Bedarf an Sorgfalt an einen vergleichsweise nachlässigen Mitarbeiter zu geben, kann das Endresultat gefährden. Darum ist es wichtig, die eigenen Mitarbeiter*innen genau einschätzen zu können.

Der britische Wirtschaftswissenschaftler Raymond Belbin hat daher bereits 1981 eine Reihe von Rollen festgelegt. Die Teamrollen nach Belbin beschreiben eine Reihe von verschiedenen Charakteren, die an einem Projekt beteiligt sein können. Dabei geht Belbin auf die verschiedenen Arbeitsweisen, aber auch die persönlichen Merkmale der Teammitglieder ein.

1. Was sind die Teamrollen nach Belbin?

Die Teamrollen nach der Belbin Methode gehen auf den britischen Wissenschaftler und Unternehmensberater Raymond Meredith Belbin zurück. In seinem 1981 erschienenen Buch “Management Teams: Why they succeed or fail” beschreibt Belbin, wie der Gruppenerfolg idealerweise aussehen sollte. Dabei geht es vor allem darum, dass sich ein Team immer ergänzen sollte.

In diesem Sinne stellt Belbin die Homogenität des Teams über das Talent des Einzelnen. Ein Team, was effektiv zusammenarbeiten kann, ist daher besser, als ein Team aus begabten Einzelkönnern – die im Kollektiv allerdings nicht funktionieren. Dieser Ansatz gilt bis heute als ein Wegweiser für die Arbeit in Teams. In seinem Buch beschreibt Belbin aber auch die einzelnen Rollen und unterteilt sie in verschiedene Kategorien.

2. Die Teamrollen nach Belbin

Da jeder Mitarbeiter eine einzigartige Kombination aus Kenntnissen und Persönlichkeitsmerkmalen mitbringt, unterscheiden sich die Rollen im Team nach Belbin deutlich voneinander.


Er unterteilt die Arbeitskräfte in verschiedene Kategorien: Wissensorientierte Rollen, handlungsorientierte Rollen sowie kommunikationsorientierte Rollen. Jede der Gruppen wird in drei weitere Rollen aufgeteilt, insgesamt gibt es nach Belbin also 9 Teamrollen.

Nachfolgend möchten wir einmal genauer auf die verschiedenen Kategorien und Rollen eingehen und erläutern, welche Person zu welcher Rolle passt. Dazu stellen wir auch die Vor- und Nachteile jeder Rolle gegenüber.

Wissensorientierte Rollen

Erfinder/Neuerer (NE)

Innovation ist für Neuerer ein Leichtes. Sie bringen ständig neue Ideen ein und scheuen nicht davor, auch außerhalb der Box zu denken. Dadurch finden sie oftmals die zündende Idee, die das Projekt auf die nächste Stufe bringt. Für ihre Teamkollegen wirken Erfinder allerdings oftmals etwas abgehoben. Außerdem haben sie den Ruf, Details zu ignorieren und ihre eigenen Gedankengänge nicht effektiv zu kommunizieren.

  • + individualistisch
  • + kreativ
  • – oftmals abgehoben
  • – ignoriert formale Vorgaben

Spezialist (SP)

Die Spezialisten bringen das größte Fachwissen und die fundiertesten Fachkenntnisse mit. Wenn eine Aufgabe ansteht, die besonders große Expertise voraussetzt, sind Spezialisten die besten Ansprechpartner. Allerdings verlieren sie sich oft in kleinen Details und bringen kaum Kenntnisse, die über ihre Spezialisierung hinausgehen, mit.

  • + großer Wissensschatz (für die jeweilige Spezialisierung)
  • + engagiert
  • – verrennt sich oftmals in kleinen Details
  • – keine oder kaum Kenntnisse außerhalb des Spezialgebiets

Beobachter (BO)

Nach Belbin macht der Beobachter genau das, was der Rollenname andeutet – er beobachtet. Als Skeptiker der Gruppe untersucht er alle Vorschläge und Ideen hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit. Dabei nutzt er sein logisches Denken und wägt die Vor- und Nachteile von Ideen nüchtern ab. Der Preis dafür ist ein vergleichsweise berechnetes Handeln, dass die Motivation der anderen Teammitglieder alles andere als inspiriert. Darüber hinaus haben sie den Ruf, übermäßig kritisch zu sein.

  • + kritisch, hinterfragt viel
  • + beurteilt jede Idee nüchtern und unvoreingenommen
  • – manchmal zu kritisch
  • – kein guter Motivator

Handlungsorientierte Rollen

Perfektionist (PF)

Nichts ist jemals gut genug – das ist der Grundsatz der Perfektionisten. Dieses Streben nach etwas Besserem treibt sie an und sorgt dafür, dass sie jeden Aspekt des Projekts auf Fehler untersuchen. Sie fungieren als Qualitätskontrolleure der Gruppe und achten auf jedes kleine Detail. Dafür kann sie ihr eigener Elan aber manchmal ausbremsen, da sie sich zu viel um vergleichsweise kleine Dinge kümmern.

  • + sorgfältig
  • + gewissenhaft
  • + merzt Fehler anderer Teammitglieder aus
  • – oftmals zu perfektionistisch
  • – kann sich selbst (und andere Teammitglieder) ausbremsen

Umsetzer (UM)

Pläne in die Tat umsetzen – das ist das Credo der Umsetzer. Sie zeichnen sich durch ein großes Organisationstalent sowie praktischen Verstand aus und arbeiten effizient und zuverlässig. Umsetzer belassen es nicht lange bei bloßen Ideen, sondern setzen diese schnellstmöglich um. Dadurch neigen sie aber auch dazu, unflexibel zu sein. Neue Ideen stoßen bei ihnen oftmals auf ein taubes Ohr, wenn sie eine andere Idee für besser befinden.

  • + praktisch
  • + zuverlässig
  • + zielorientiert
  • – unflexibel
  • – resistent gegenüber Input

Macher (MA)

Für Macher geht es vor allem um eines: das Fertigstellen des Projekts. Sie wollen Fortschritt sehen, und sind aktiv daran beteiligt, das Projekt in die nächste Phase zu bringen. Dabei zeigen sie viel Mut und überwinden alle Hindernisse, die ihnen auf dem Weg begegnen. Das Team motivieren sie mit ihrer Arbeitsweise und treiben alle Teammitglieder an. Allerdings sind sie oftmals auch zu direkt und neigen dazu, andere Mitglieder des Teams zu übergehen. Das kann zu verletzten Gefühlen und Unverständnis bei den Kolleg*innen führen.

  • + dynamisch
  • + stressresistent
  • + pflichtbewusst
  • – ungeduldig
  • – neigt dazu, andere Teammitglieder zu übergehen

Kommunikationsorientierte Rollen

Weichensteller (WS)

Der Weichensteller fungiert als Thinktank der Gruppe. Als Netzwerker des Teams bringt er neue Ideen ein, optimiert die Verbindung zwischen dem Team und externen Schnittstellen und findet neue Wege, das Projekt weiterzubringen. In vielen Punkten überschneidet sich der Weichensteller mit dem Erfinder/Neuerer, ist im Gegensatz zu diesen allerdings oftmals etwas zu optimistisch und neigt dazu, das Interesse zu verlieren.

  • + enthusiastisch
  • + neugierig
  • + kommunikativ
  • – verliert schnell das Interesse
  • – zu optimistisch

Teamarbeiter (TA)

Der “Helfer im Hintergrund” dient als Bindeglied zwischen allen Beteiligten des Teams. Mitarbeiter, die der Rolle des Teamarbeiters entsprechen, sorgen nach Belbin für eine bessere Zusammenarbeit im Team und schaffen ein produktives Arbeitsklima. Das geht allerdings auf Kosten der Entscheidungsfindung: Teamarbeiter agieren oftmals unentschlossen, vor allem in Krisensituationen. Grundsätzlich vermeiden sie Konfrontationen, da sie das Klima innerhalb der Gruppe nicht stören wollen.

  • + kooperativ
  • + einfühlsam
  • + diplomatisch
  • – unentschlossen in Krisensituationen
  • – vermeidet Konfrontationen

Koordinator (KO)

Koordinatoren führen die Gruppe und fungieren als Teamleiter. Sie treffen die Entscheidungen und verfolgen vielversprechende Ideen, die das Projekt weiterbringen können. Dabei wirkt der Koordinator stets selbstbewusst und vermittelt das Gefühl, die Kontrolle zu haben. Dennoch sind die technischen Fähigkeiten, die der Koordinator mitbringt, oftmals nur durchschnittlich. Darüber hinaus können sie schnell als manipulativ betrachtet werden und neigen dazu, ihre eigenen Aufgaben auf andere Mitglieder des Teams abzuladen.

  • + ruhig
  • + selbstbewusst
  • + kontrolliert
  • – oftmals nur durchschnittliche Fähigkeiten
  • – kann als manipulativ angesehen werden
  • – neigen dazu, eigene Aufgaben auf andere abzuladen

3. Vorteile der Teamrollen nach Belbin

Der Projektauftrag ist eingetroffen, die Timeline für das Projekt ist bekannt und der Projekt Kick-Off steht kurz bevor: Aber wer übernimmt welche Aufgabe? Diese Frage stellen sich viele Projektleiter und -manager, wenn ein neues Projekt ansteht. Die Teamrollen nach Belbin sind ein guter Weg, um alle Stellen optimal besetzen zu können; basierend auf den Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen aller Teammitglieder.

Für das Projektcontrolling kann eine Einteilung der Teammitglieder in verschiedene Rollen dabei helfen, den Arbeitsablauf zu optimieren. So kann sichergestellt werden, dass die richtigen Personen an den dazu passenden Arbeitspaketen beteiligt sind. Im Projektverlauf können die Projektleiter wichtige Einblicke in das Verhalten der Mitarbeiter*innen gewinnen, die zur optimalen Personal- und Ressourcenverteilung führen können.

Dabei sind die Rollen nicht in Stein gemeißelt. Eventuell kristallisiert sich während der Bearbeitung des Projekts heraus, dass der eigentlich als Macher eingeschätzte Mitarbeiter doch eher zur Rolle eines Weichenstellers passt. Indem die Projektleitung ihre Einschätzungen ständig anpasst, können wertvolle Rückschlüsse für die Zukunft gewonnen werden. Diese Lessons Learned sind der Grundstein dafür, dass das nächste Projekt besser verläuft – indem die Teamrollen noch präziser verteilt werden.

4. Nachteile der Teamrollen nach Belbin

Jedes System hat seine Schwächen – so auch die Teamrollen nach Belbin. Denn so akkurat die Beschreibungen der einzelnen Teammitglieder auch sein können; in der Realität ist es äußerst selten, genau diese neun Persönlichkeiten im Team anzutreffen. Dazu kommt auch noch, dass viele Menschen eine Mischung aus verschiedenen Teamrollen sein können. So wie ein Macher oftmals auch die Charakterzüge eines Koordinators besitzen kann, überschneiden sich die Merkmale eines Erfinders gerne auch mal mit denen eines Weichenstellers.

Gerade bei kleinen Teams kommt es daher darauf an, die richtige Mischung zu finden. Bei Teams von einer Größe von weniger als neun Mitgliedern können Überschneidungen bei den Teamrollen dabei helfen, alle Bereiche eines erfolgreichen Projekts nach Belbin abzudecken. Letztlich darf man auch nicht die menschliche Komponente vergessen, die bei einem Teamprojekt eine Rolle spielen kann. Es kann aufgrund der verschiedenen Charaktere zu Reibungen im Team kommen, was wiederum zu Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten führen kann.

Mit einer gesunden Mischung im Team und einem klaren Projektstrukturplan, der die passenden Charaktere in den gleichen Arbeitsbereichen zusammenführt, steht einem erfolgreichen Projekt aber nichts im Wege. Denn so groß das Potenzial für unterschiedliche Auffassungen ist – umso einzigartiger ist das Arbeitserlebnis, das ein homogenes Team erzeugen kann.