Arbeitszeiterfassung wird in Deutschland verpflichtend

Kunigunde Leitner
23. November 2023

1. Wie kam es zum Urteil zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung

Initialer Ausgangspunkt für das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.09.2022 zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) von 2019: in einem Fall aus Spanien wurde entschieden, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern „ein objektives, verlässliches und zugängliches System“ anbieten müssen, um ihre Arbeitszeit zu messen.

Wie konkret die Umsetzung dafür in Deutschland aussehen könnte, darüber rätselten Arbeitgeber und Arbeitnehmer seither. Es wurde zwar mit Sozialpartnern geprüft und festgehalten, dass flexible Arbeitszeitmodelle wie zB Vertrauensarbeit weiterhin möglich sein sollen, eine konkrete Umsetzung gab es allerdings nicht.

Zeiterfassung in Deutschland

2. Die Änderung des Arbeitszeitgesetzes ist immer noch in Bearbeitung

Die Deutsche Regierung hat zwar schon länger geplant, das Arbeitszeitgesetz zu überprüfen, aber mit diesem Urteil hatte wohl niemand gerechnet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass die Arbeitszeit von allen verpflichtend erfasst werden muss.

In einem Fall aus Nordrhein-Westfalen hatte das Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Klage eines Betriebsrats abgewiesen, weil dieser kein Initiativrecht hat, eine elektronische Zeiterfassung einzuführen. Dies sei ausgeschlossen, wenn es bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gibt, begründete das BAG seine Entscheidung.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass die Arbeitszeit von allen verpflichtend erfasst werden muss.

Bereits in der Verhandlung sagte die Präsidentin des BAG, Inken Gallner: “Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz nach Maßgabe des EuGH auslegt, dann besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung”. Laut BAG ist aus der EuGH-Entscheidung zu folgern, dass der Arbeitgeber ein System einzuführen hat, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

Zu diesem Schluss kommt auch der Hamburger Arbeitsrechtsexperte Professor Michael Fuhlrott: “Nach der heutigen Entscheidung gilt die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit unmittelbar. In ganz Deutschland, in allen Betrieben, für alle Beschäftigten.”

Da es bisher nur üblich war, Sonntagsarbeit und Überstunden genau festzuhalten, wird diese Entscheidung gravierende Auswirkungen auf Vertrauensarbeitszeitmodelle, mobile Arbeit und Homeoffice haben, da nun mehr Kontrolle nötig ist. Die Vorgabe gilt für alle Betriebe, unabhängig wie groß, oder ob ein Betriebsrat existiert oder nicht.

Der Druck auf den Gesetzgeber ist jedenfalls enorm, da nun nachgebessert und ein Übergang für die Zeiterfassung geregelt werden muss.

3. Aufzeichnungspflicht für den Arbeitgeber

Die Aufzeichnungspflicht liegt beim Arbeitgeber, dieser kann jedoch die Erfassung selbst seinen Arbeitnehmern übertragen.

3.1 Arbeitszeitaufzeichnung durch den Arbeitgeber

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter zu erfassen. Der Dienstgeber könnte also die Stundenaufzeichnungen für seine Mitarbeiter führen. In der Praxis und besonders bei vielen Beschäftigten ist das allerdings nicht umsetzbar. In der Regel wird daher die Arbeitszeiterfassung an die Mitarbeiter delegiert.

3.2 Stundenaufzeichnung durch die Arbeitnehmer

Die Aufzeichnung der Arbeitszeit wird in Unternehmen auf Anweisung des Arbeitgebers vom Mitarbeiter selbst übernommen. Diese Vorgangsweise ist gesetzeskonform und wird in den meisten Betrieben so gehandhabt. Die Verantwortung für die Zeiterfassung liegt aber beim Arbeitgeber.

In einigen Ländern wie zB Österreich ist die Erfassung bereits seit vielen Jahren verpflichtend.

Der Arbeitgeber stellt in diesem Fall ein Zeiterfassungssystem zur Verfügung. Mitarbeiter stempeln bei Arbeitsbeginn ein und bei Arbeitsende wieder aus. Der Arbeitgeber überprüft die Aufzeichnungen, Dienstgeber und Dienstnehmer bestätigen mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der Aufzeichnungen.

4. Moderne Tools für die Einführung einer Arbeitszeiterfassung

4.1 Online Arbeitszeiterfassung für Büro und Homeoffice

Mitarbeiter im Büro können einfach und effizient parallel zu ihrer Büroarbeit die Zeit direkt am PC erfassen. Mit einer elektronischen Arbeitszeiterfassung, zB als Cloud Lösung, ist auch die Zeiterfassung bei modernen Arbeitsweisen wie Homeoffice einfach und jederzeit möglich.
Die Online Zeiterfassung erleichtert somit die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht enorm:

  • Die Arbeitsstunden werden schnell, einfach und exakt erfasst.
  • Alle Zeiten sind zentral gespeichert und jederzeit abrufbar.
  • Vorgesetzte sehen auf einen Blick, ob Mitarbeiter im Büro oder im Homeoffice arbeiten.

4.2 Arbeitszeiterfassung per App

Zeiterfassung per App

Sind Mitarbeiter viel unterwegs, zB im Außendienst, auf Dienstreisen oder bei Arbeiten vor Ort beim Kunden, dann bietet sich eine mobile Zeiterfassung per App an.

Moderne Apps sind inzwischen meist offlinefähig. Es ist also kein Problem, wenn man kurzfristig einmal keinen Empfang hat.

Die Zeitaufzeichnung ist mit einem Smartphone an jedem Ort problemlos möglich. Die Daten werden synchronisiert und sind immer aktuell online verfügbar.

5. Arbeitszeiterfassung: Noch viele offene Fragen

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat zur Folge, dass Arbeitgeber eine Zeiterfassung einführen müssen. Das ist zwar bereits seit dem EuGH-Urteil von 2019 im Gespräch, die jetzt notwendige Umsetzung wirft allerdings eine Reihe von Fragen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter auf, da es noch keine einheitliche gesetzliche Regelung dafür gibt:

  • Wie konkret muss die Zeiterfassung erfolgen?
  • Müssen die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit erfassen, oder genügt es bereits, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit dazu zur Verfügung stellt?
  • Wie geht es mit der Vertrauensarbeitszeit weiter? Wird es dieses Modell weiterhin geben?
  • Wird es Ausnahmeregelungen für bestimmte Branchen und Berufsfelder geben?

6. Wie geht es jetzt weiter?

Das Urteil ist grundsätzlich positiv zu werten denn, natürlich sollen Mitarbeiter die Möglichkeit haben die gearbeitete Zeit zu überprüfen. Dies geht nur, wenn es dafür eine geeignete Lösung gibt und die Kosten dafür nicht vom Mitarbeiter selbst zu tragen sind.

Neben der Möglichkeit für Mitarbeiter die geleistete Zeit zu überprüfen bietet eine Zeiterfassung v.a. auch die Chance zu kontrollieren ob ein Mitarbeiter zu viel arbeitet. Damit kann man rechtzeitig gegensteuern, bevor es zu einer Überlastung kommt.

In einigen Ländern wie zB Österreich ist die Erfassung bereits seit vielen Jahren verpflichtend. Es gibt also bereits Erfahrungswerte und geeignete Zeiterfassungslösungen, die darauf ausgerichtet sind, einfach und effizient die Arbeitszeiten von Mitarbeitern zu erfassen. Dies umfasst auch Modelle wie Homeoffice und flexible Arbeitszeiten.

In manchen Branchen ist der Aufschrei aber groß denn: Natürlich gibt es Branchen, z.B. die Kreativbranche, in denen durch Vertrauensarbeitszeit die Höchstgrenzen umgangen werden und mal einen Tag sehr lange, am nächsten Tag vielleicht weniger gearbeitet wird.

Letztlich bietet aber eben die Zeiterfassung genau den Vorteil zu kontrollieren, dass nicht über einen längeren Zeitraum zu viel gearbeitet wird.

Die Zeiterfassung selbst ist hier also eher nicht das Problem sondern gewisse Höchstgrenzen die nicht jene Flexibilität bieten wie sie eine moderne Arbeitswelt benötigen würde.